Wer steckt hinter "InterZone Perceptible"?

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Wie funktioniert das Miteinander von elektronisch und akustisch erzeugten Klängen und was bedeutet „flexibles electroInstrumentales HybridOrgan“?

Wir begannen bereits während der Studienzeit in den späten Neunzigern das Akkordeon und den E-Bass zu einem homogenen Klangkörper zu formen. Zu Beginn noch rein akustisch wurde das Akkordeon zunehmend elektronisch verstärkt behandelt. Die Verstärkung brachte mit sich, dass sich durch die zusätzliche Abstrahlung des Akkordeonklangs über Lautsprechermembrane eine viel höhere Klangverschmelzung mit dem ohnehin über Membrane klingenden E-Bass ergab. Fortwährende Experimente mit verschiedenen Verschaltungen von Effektgeräten und die Art diese „anzuspielen“ eröffneten uns einen schier unendlichen Instrumentenkosmos, wandlungsfähige Hybride aus physischer und elektrischer Klangerzeugung, ein über die Grundinstrumente Akkordeon und E-Bass hinausgehendes, aus Menschen und Technik verwachsenes flexibles electroInstrumentales hybridOrgan.

Musik für Stummfilm – wie kam es dazu und warum ist dieses Arbeitsfeld Schwerpunkt?

Im Jahr 2000 boten wir der Bonner Brotfabrik ein Konzert mit der Musik CINEMA von Erik Satie zum Stummfilm Entr’acte von René Clair (1924) an. Seit Längerem hatten wir die Absicht, diese ursprünglich für Klavier komponierte Musik für IP einzurichten. Bonn trug an uns die Frage heran, ob wir nicht stattdessen DAS CABINET DES DR. CALIGARI von Robert Wiene (1920) vertonen könnten. Wir willigten ein und komponierten unsere erste StummFilmMusik. Nach dieser intensiven und neuen Erfahrung wurde das Interesse geweckt sich eingehender mit der Kombination Film und Musik auseinander zu setzen. Es folgte 2003 eine Einladung des Goethe-Institutes nach Südkorea, um dort zu den Filmen VAMPYR (1932) und LA PASSION DE JEANNE D’ARC (1927), beide von Carl Theodor Dreyer, zu spielen. Ein Kompositionsauftrag für den Film PARIS QUI DORT von René Clair (1924) führte uns im selben Jahr nach Frankreich. 2004 beginnt eine monatlich stattfindende StummFilmKonzertReihe im Essener Filmkunsttheater Eulenspiegel, die 2010 inzwischen als „StummFilm in Concert“ etablierte Reihe ins Essener CinemaxX umzieht und ab 2011 im Krefelder Casablanca Kino fortgeführt wird. 2009-2010 gab es zusätzliche Termine im Central Kino Center Dorsten, seit 2009 spielen wir regelmäßig im Filmforum Duisburg und in der Black Box, dem Kino im Filmmuseum Düsseldorf.

Einladungen zu nationalen und internationalen Festivals folgen: StummFilmMusikTage Erlangen, Karlsruher Stummfilmtage, Musica Nova in Finnland, Science Fiction Film Festival "Utopiales" in Nantes/Frankreich, Tourneen durch die Niederlande, eine open air StummFilmNacht auf dem Unesco Weltkulturerbe Zollverein Essen. Das Erarbeiten neuer Filmkompositionen sowie die Pflege und Verfeinerung bestehenden Repertoires wird zur täglichen Aufgabe.

Gibt es bei IzP neben StummFilmMusik auch Musik ohne Film?

Ja. Als wir Ende der Neunziger begannen, uns über Musik für Akkordeon, E-Bass und Elektronik Gedanken zu machen, beschlossen wir für diese spezielle Kombination Repertoire aufzubauen. Die Arbeit bestand zunächst im Arrangieren von Musiken alter Meister (Henry Purcel, Erik Satie, John Cage). Weiterführend begann die Zusammenarbeit mit Komponisten der Avantgarde. In den Jahren 2000-2004 entstanden 34 Auftragsarbeiten. Parallel dazu flossen Erkenntnisse unseres Experimentierens in Performances, konzeptionelle Improvisationen, Klanginstallationen, Soundscapes und bandinterner Kompositionen ein. 

Warum steht das Thema „Verschmelzung von Bild und Ton“ bei IzP im Mittelpunkt?

Unsere Arbeit besteht darin Film und Musik zusammenführen. Wir entwickeln Klänge, die in Verbindung mit dem Film eine differenzierte neue Gesamtwirkung entstehen lassen, das Bild ergänzen oder mit neuen Energien füllen, die Assoziationsfreiräume zulassen – immer unter dem Aspekt den Film sichtbar werden zulassen, auf Details aufmerksam machend. So entsteht die Illusion, dass die Filmfiguren verbal agieren, dass Klänge wahrhaftig aus der Leinwand zu kommen scheinen. Grundbedingung ist eine dem Aufführungsort akustisch angepasste Aufstellung der einzelnen Lautsprechersysteme.   

Das größte Lob ist, wenn das Publikum nach dem Konzert nicht mehr in der Lage ist zwischen Film und Musik zu trennen. 

Was bedeutet „InterZone Perceptible“ und wie kam es zur Gründung?

InterZone Perceptible wurde 2000 ins Leben gerufen. Damals war unsere Studienzeit an der Folkwang Hochschule Essen mehr oder weniger beendet. 1999 hatte Sven sein Diplom als Akkordeonist gemacht und studierte noch Komposition, Matthias bekam 2000 sein Kompositions-Diplom und hatte parallel privat E-Bass studiert. Unsere Gemeinsamkeit war die Doppelausbildung und beide wurden wir von unseren Lehrern darauf aufmerksam gemacht, uns früher oder später entscheiden zu müssen, ob wir uns als Interpret oder als Komponist etablieren wollten. Wir nutzten kurzerhand diesen von außen an uns herangetragenen Konflikt und begannen in diversen Spielformen mit ihm zu experimentieren. Genau genommen hatten wir schon 1998 mit dem Erforschen der Instrumentenkombination Akkordeon und E-Bass begonnen. Erst 1999 fassten wir den Entschluss eine feste Formation zu gründen. Bislang wussten wir eher, was wir nicht machen wollten, als das, was werden soll. Der Bandname sollte also die Benennung einer offenen Arbeitsplattform sein. Schließlich wurden wir im Roman NAKED LUNCH von William S. Burroughs fündig. Der Autor beschreibt dort die Stadt INTERZONE, einen fiktiven und nicht klar definierten Ort, der auf keiner Landkarte zu finden ist. Ob er in einem Paralleluniversum existiert oder die Verbildlichung eines Drogentrips darstellt, bleibt in der Schwebe. Wir kombinierten INTERZONE mit dem englischen Adjektiv PERCEPTIBLE (= wahrnehmbar) und eröffneten uns einen Assoziationsraum, der wahrhaftig zwischen allem steht und nur das Wortfeld SINNLICHE WAHRNEHMUNG als Konstante hat. Über die Jahre wurde diese offen definierte Arbeitsplattform mit unterschiedlichsten künstlerischen Ausdrucksformen gefüllt.

Worin besteht der Reiz, mit dem Blick aus dem 21. Jahrhundert StummFilme aus den Jahren 1913-29 neu zu vertonen?

„[…] Magie wurde mit piepender Weltraummusik betont, beim Pestalarm verwies die Musik auf Kriegs- und Fliegergeräusche. Die modernen Verweisobjekte frischten das Filmerlebnis auf und verdichteten es, betonten überraschende Details und brachten feine Nuancen zum Vorschein. Das traditionelle Winseln der Geigen, […]  und das Horrorklimpern dagegen versperren, verdecken und stumpfen das alte Bild ab, zumindest aus heutiger Sicht. Eine neue Musikspur bedeutet für einen Film auch immer eine Wiedergeburt.“ 

schrieb Auli Särkiö nach unserer Finnland-Tournee 2011 mit NOSFERATU/HISTOPLASMOSE

Welches Equipment benutzt IzP?

Matthias spielt einen von Christof Kost aus Aachen handgefertigten
American Standard Sujet 6-Saiter-E-Bass mit zusätzlicher Piezoabnahme. Als Tonabnehmer kommen hier LeFay und BassCulture zum Einsatz. Als fretless dient ein 5-saitiger ESH Sovereign, der nachträglich mit Harry Häussel Tonabnehmern bestückt wurde. Verstärkt wird mit einem SWR Basic 350 und zwei 2x10 Zoll Goliath 3 Boxen. Sven spielt ein Anatomic Akkordeon von Armando Bugari aus Castelfidardo/Italien, mikrophoniert mit zwei Schoeps CCM 41. Die Klangabstrahlung erfolgt über ein Aktivlautsprechersystem (2xASQ8, 2xSUB15) von AER. Verwaltet werden die Signale durch ein Allen & Heath Mischpult.

 

IzP verwendet Effektgeräte der Firmen Lehle, Boss, Line 6, Digitech, MXR,
DOD, Danelectro, TC electronics, Strymon, Eventide und verkabelt mit Sommer cables.


Nebeninstrumente: Gongs, mikrophonierte Dachlatten, Donnerblech,
Brülltopf, Casio Keyboards, Yamaha DrumComputer, Kindermegaphon,
Kinderglockenspiel, singende Säge, Stimme (sprechen, death growls, schreien, flüstern).
CD-Zuspielungen werden mit DENON-Playern realisiert.